Mit dem Auslöschen des Olympischen Feuers gingen vor kurzem die 30. Olympischen Spiele der Neuzeit zu Ende und sie werden in mancher Hinsicht bei vielen Menschen noch lange in guter Erinnerung bleiben. Die Briten haben sich bei der Organisation und Durchführung der Spiele sozusagen selbst übertroffen. Sie haben bewiesen, wie wichtig für jeden Anlass die sorgfältige und detaillierte Vorbereitung ist. Dies ist auch bei kynologischen Anlässen nicht anders, obwohl selbst unsere größten Veranstaltungen bei weitem nie die Beteiligung und Resonanz von Olympischen Spielen erreichen können. Man kann sich fragen, weshalb selbst wenig bekannte Sportarten derart viele Zuschauer an die Bildschirme zu locken vermögen, während unsere Großanlässe, die es zweifellos gibt, von den TV-Sendern meist sträflich vernachlässigt werden. Im Rahmen des wissenschaftlichen Symposiums des vergangenen Jahres wurde dieses Thema ansatzweise behandelt und es wurden Wege aufgezeigt, wie dieser Aspekt verbessert werden kann. Es liegt nun an uns, diesen Umstand zu analysieren und zu verbessern. Das Lösungswort in dieser Frage heißt wahrscheinlich "Action".

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Hans W. Müller
Präsident der FCI
Internationales Zuchtprogramm für den Cavalier King Charles Spaniel: „Cavaliers for Life“

Einleitung

Nach der Aussendung des BBC-Programms „Pedigree Dogs Exposed“ ist die Hundewelt nicht mehr was sie vorher war. Ab jetzt werden Medien und Regierungen den Rassehundezüchtern und vereinen fortwährend Forderungen stellen.
Deswegen können die Züchter am besten ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und selbst Vorschläge zur Verbesserung der Gesundheit der Hunde entwickeln und damit für die Sicherung der Zukunft der Zuchtpopulation sorgen.
Das von Züchtern aus verschiedenen Ländern entwickelte Programm „Cavaliers for Life“ ist ein gutes Beispiel für eine solche Initiative.

Erbkrankheiten

Paul Mandigers und Laura Roest

Mehr als 100 wissenschaftliche Studien haben sich innerhalb der letzten fünf Jahrzehnte mit dem Cavalier King Charles Spaniel (CKCS) beschäftigt. Dank der wissenschaftlichen Erforschung der Krankheiten wissen wir heute mehr über den CKCS und seine (erblichen) Krankheiten als über diejenigen anderer Rassen. Leider ist der CKCS dadurch zu einem einfachen Angriffspunkt für die Medien geworden. Und das hat einen vernichtenden Einfluss auf die öffentliche Meinung über den CKCS. Jedoch wurden der CKCS und dessen Züchter damit aber auch in eine Lage versetzt, die es zulässt, diese Fragen von Behörden, Politikern, Tierärzten und anderen Züchtern aufzugreifen.

Bei dieser Hunderasse gibt es zwei häufig vorkommende Krankheiten mit offenkundigen klinischen Folgen und einer hohen Prävalenz. Beide treten auch bei einigen anderen Rassen auf, aber für die anderen Rassen fehlt das exakte Wissen zur Prävalenz.

MMVD

Bei der ersten untersuchten Krankheit handelt es sich um die Mitralklappeninsuffizienz (Myxomatous Mitral Valve Degeneration, MMVD des Herzens oder noch Mitral (Valve) Regurgitation oder Mitral Valve Disease). Die Mitralklappe dient als Ventil zwischen dem linken Vorhof des Herzens und der linken Herzkammer. Sauerstoffreiches Blut strömt von den Lungen in den linken Vorhof. Von dort aus fließt es weiter in die linke Herzkammer. Wenn sich beim Pumpen nun die linke Herzkammer zusammenzieht, wird das Blut über die Aorta in den Körper gepresst. Bei Vorliegen einer MMVD können sich die Mitralklappen nicht vollständig schließen und dadurch fließt Blut zurück in die linke Herzkammer. Im Frühstadium hat das keinerlei klinische Folgen. Doch in einigen Fällen kann es dadurch im Laufe der Jahre zu einer schweren Arterienerweiterung und zum Versagen der linken Herzkammer kommen. Bei Krankheitsbeginn zeigt der Hund noch keine Krankheitsanzeichen und nur beim Abhören des Herzens ist ein leichtes Geräusch wahrnehmbar. Frühe Krankheitsanzeichen sind eine leicht erhöhte Herzfrequenz und Husten, der sowohl leise als auch laut sein kann. Im Laufe der Zeit kann es zu verminderter Leistungsbereitschaft, Gewichtsverlust und Pleuraerguss (Flüssigkeitsansammlung in der Lunge) kommen. Von MMVD sind sowohl Menschen als auch Hunde betroffen. MMVD kommt bei allen Hunderassen vor, aber diese Krankheit tritt beim CKCS schon bei jungen Tieren als „juvenile MMVD“ auf. Laut früheren Studien liegt die Prävalenz der juvenilen MMVD (im Alter von 6 Jahren) bei 50 % und der MMVD bei älteren Hunden etwa bei 90 %.

CM/SM

Die zweithäufigste Krankheit ist CM/SM. CM ist die Abkürzung für Chiari-like Malformation (Chiari-ähnliche Missbildung) und SM bedeutet Syringomyelie (Höhlenbildung im Rückenmark). Bei der Chiari-ähnlichen Missbildung verschieben sich Teile des Kleinhirns durch das große Hinterhauptloch in den Rückenmarkskanal der Wirbelsäule und drücken auf den Hirnstamm.

Meistens verursacht dies beim CKCS einen abnormalen Nervenwasserfluss um das Rückenmark sowie eine Erweiterung des Rückenmarkkanals und der mit Flüssigkeit gefüllten Hohlräume im Rückenmark (siehe Abbildung). Viele CKCS weisen keinerlei Krankheitssymptome auf. Allerdings kann es im Frühstadium bestimmte Hinweise geben, wie Luftkratzen (Phantomkratzen) in Richtung des Nackens, plötzliche Schmerzanfälle, Kopfreiben und Gesichtsschmerzen. Stärker betroffene CKCS können sogar neurologische Defizite wie Ataxie (Koordinationsstörung in den Bewegungsabläufen) und wiederholt auftretende Schmerzanfälle haben. Aufgrund früherer Forschungen wird die Häufigkeit von CM bei den CKCS mit annähernd 95 % und von SM mit über 50 % angegeben. Die Prävalenz der klinischen Fälle liegt im Bereich von 8 - 10 %. Die Häufigkeit beider Krankheiten (MMVD und CM/SM) kann in den verschiedenen Ländern abweichend sein, da sie unterschiedliche Populationen haben.


Arbeitsplan für CKCS-Züchter in den Niederlanden

Die CKCS-Züchter werden mit zwei verbreiteten Krankheiten konfrontiert.
Deswegen haben der Niederländische Kennel Club (Raad van Beheer), der Cavalier-Club der Niederlande und die Züchter sowie die Tierärzte und Wissenschaftler der Universität von Utrecht (Niederlande) beschlossen, ab November 2011 CKCS-Hunde nach den nachstehenden Richtlinien zu züchten und möglichst viele Daten für das Zuchtprogramm „Cavaliers for Life“ zusammenzutragen:


CM/SM

  • Alle für die Zucht vorgesehenen Hunde werden gescannt, bevor sie zur Paarung zugelassen werden. Die Scan-Ergebnisse werden nach drei Altersgruppen aufgegliedert.
  • Alle Scans werden in zugelassenen MRI-Zentren nach der gleichen Methode ausgeführt.
  • Alle MRI-Scans werden von einem europäischen Gremium zugelassener Radiologen und Neurologen beurteilt.

MMVD

  • Bevor ein für die Zucht vorgesehener Hund zur Paarung zugelassen wird, wird bei ihm erst eine ordentliche Herzuntersuchung (dazu gehört u.a. das Abhören der Herztöne) und eine Ultraschalluntersuchung des Herzens durchgeführt.
  • Jährlich eine Herzuntersuchung. Vor dem Alter von fünf Jahren darf ein Hund kein auf MMVD hinweisendes Herzgeräusch haben.
  • Bis zum Alter von mindestens zehn Jahren werden regelmäßige Nachuntersuchungen durchgeführt.
  • Alle Ultraschall-Untersuchungen werden von zugelassenen Zentren und gemäß dem gleichen Protokoll durchgeführt. Das Abhören des Herzens wird von zugelassenen Kardiologen oder Internisten ausgeführt.

DNA

Von allen für die Zucht vorgesehenen CKCS wird bei der Durchführung des MRI-Scans eine Blutprobe für die DNA-Isolierung genommen und aufbewahrt.

Zuchtprogramm „Cavaliers for Life“

Arnold Jacques, Pauline Jordens

Wir alle wissen, dass es nicht ausreicht, die Messwerte und die Leistungen eines Hundes zu beurteilen, um Aussagen über seine genetische Veranlagung machen zu können. Eine Zuchtstrategie, die sich nur auf die Einzelergebnisse eines Hundes stützt, ist unzureichend und kann für die künftigen Würfe gefährlich sein.

Vor zwei Jahren haben wir eine private Initiative ins Leben gerufen. Deren Zielsetzung ist die Entwicklung eines Zuchtberatungsprogramms, welches sich auf die voraussichtlichen Zuchtwerte (Estimated Breeding Values, EBV) für die Cavalier-Population stützt.

Zu diesem Zweck haben wir ein nur hierfür bestimmtes Computerprogramm entwickelt. Die ersten beiden Länder, die sich diesem Programm angeschlossen haben, sind die Niederlande und Belgien. Die Abstammungsurkunden aller seit 1995 in diesen beiden Ländern geborenen Cavaliers werden in diese Datenbank eingegeben.

Die Katholische Universität Löwen (KUL, Belgien) hat unter der Leitung von Dr. Steven Janssens einen vollständigen Bericht über die genetische Diversität und den Inzuchtkoeffizienten für die in den letzten 15 Jahren in diesen beiden Ländern geborenen Cavaliers erstellt.

Der Bericht enthält folgende Schlussfolgerung: Alle Zuchtstrategien müssen nicht nur aufgrund des Auftretens einer oder mehrerer genetischer Störungen entwickelt werden, sondern auch auf Grundlage der Größe der genetischen Diversität der Rasse. Unter wissenschaftlichem Standpunkt ist es die beste Lösung für die Cavalier-Population, sich bei der Zucht an der Zuchtwertschätzung zu orientieren und die Inzucht zu beschränken, d. h. „optimale genetische Beiträge“ zu liefern.

Was ist der Zuchtwert und wie wird er berechnet?

Bei der Zuchtwertschätzung handelt es sich um eine mathematische Methode, mit der die genetische Prädisposition eines Tieres für ein bestimmtes Merkmal geschätzt wird. Der Zuchtwert schätzt ein, wie gut das Tier als Elternteil für die nächste Generation sein wird. Mit anderen Worten: Er taxiert den Wert des Tieres für die Zucht, und das wird als Zuchtwertschätzung (EBV) bezeichnet.

Zunächst einmal tragen wir möglichst viele Informationen über die Hunde zusammen (Abstammungsurkunden, ärztliche Untersuchungen, Assessments usw.). Diese Informationen werden in standardisierter Form in ein speziell dafür entwickeltes Computerprogramm eingegeben.

Die Daten werden auf Grundlage eines Tiermodells zu Zuchtdaten verarbeitet. Die Berechnungen werden nach dem BLUP-Verfahren ausgeführt (BLUP = Best Linear Unbiased Prediction).

Wie sieht das in der Praxis aus?

Ein Zuchtwert ist eine Zahl für jeden Hund und für jedes einzelne Merkmal. Für jedes Merkmal wird die Zahl 100 als Durchschnittswert der jeweiligen Rasse angenommen. Je höher die Zahl des Hundes für ein bestimmtes Merkmal ist, desto besser vererbt er dieses Merkmal auf seine Nachkommen – und umgekehrt gilt: Je niedriger diese Zahl ist, desto schlechter vererbt der Hund dieses Merkmal auf seine Nachkommen.
Wenn wir es mit negativen Merkmalen zu tun haben (erbliche Krankheiten), so vererbt ein Hund mit einem niedrigen Wert diese Krankheit weniger stark als ein Hund mit einer höheren Zahl.

Um in jeder Generation Verbesserungen zu erzielen, muss gewährleistet werden, dass der Zuchtwert eines Wurfs kleiner oder gleich 100 ist. Der Zuchtwert eines Wurfes ist der Mittelwert aus den Zuchtwerten beider Elterntiere.

Zuchtwerte im Verlauf der Zeit

Die Zuchtwerte haben ein Tiermodell als Grundlage und sind im Verlauf der Zeit nicht fest. So kann sich der Zuchtwert eines bestimmten Hundes sogar ändern, auch wenn für ihn selbst keine neuen Daten eingegeben werden, nämlich beispielsweise wenn für mit ihm verwandte Tiere neues Datenmaterial vorliegt.

Zuchtempfehlungen (Paarungsplanung)

Mit der Einführung von Zuchtwerten (EBV) bei einer Rasse besteht stets das Risiko, dass die Züchter nur die Hunde mit dem besten Zuchtwert verwenden wollen (= „Bestenkultur“). Das führt jedoch zum Ausschluss anderer wertvoller Hunde und schließlich zur Verkleinerung des Zuchtpools mit dem berühmten Engpass am Ende.

© B. Kutsch

Deswegen wird empfohlen, am Anfang nicht die Zuchtwerte für jeden einzelnen Hund zu veröffentlichen. Anstelle dessen berechnet der Computer für jede Hündin eine individuelle Liste geeigneter Rüden (auf Grundlage der Zuchtwerte der jeweiligen Kombinationen).
Der Züchter bekommt die Liste, in der die geeigneten Rüden in alphabetischer Reihenfolge angegeben sind. Indem der Züchter einen Rüden aus dieser Liste wählt, entsteht ein Wurf mit Zuchtwerten, die über dem Durchschnitt der Rasse liegen. Auf diese Weise wird die Population mit jeder neuen Generation verbessert.

Künftig soll auf den Abstammungsurkunden der Welpen vermerkt werden, wenn der Züchter die Elterntiere entsprechend der Zuchtempfehlung ausgewählt hat. Damit wird bescheinigt, dass der Welpe aus einer wissenschaftlich fundierten Kombination stammt.

„Cavaliers for Life“-Projekt

Dieses Projekt kann als Pilotprojekt betrachtet werden. Es handelt sich um eine private Initiative, die von Züchtern aus verschiedenen Ländern ins Leben gerufen wurde. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Universitäten, Genetikern, Tierärzten, Formwertrichtern usw.

Viele Freiwillige arbeiten intensiv zusammen, damit dieses Projekt erfolgreich wird. Die Finanzmittel werden von einer Gesellschaft ohne Gewinnzweck verwaltet.

Viele Züchter haben sich mit einer Spende beteiligt. Wir danken insbesondere dem niederländischen Kennel Club (Raad van Beheer) und der Wissenschaftlichen Kommission des belgischen Kennel Clubs (Société Royale Saint Hubert) für ihre finanziellen Beiträge zu diesem Pilotprojekt.

Gegenwärtig haben wir 24.000 Abstammungsurkunden von Cavaliers in unserer Datenbank. Wir sind damit begonnen, Daten über MVD-Screenings, SM/SM-Scans, Augenuntersuchungsberichte, DNA-Tests (Episodic falling syndrome und Dry Eye/Curly Coat) zu sammeln.

Weitere Informationen finden Sie auf: www.cavalierpopulation.com

Dr. Paul Mandigers DVM, PhD, Dip ECVN, DipRNVA-Internal Medicine, Anerkannter EBVS-Facharzt, Universität Utrecht, Niederlande
Laura Roest, DVM, Tierärztin des Dutch Kennel Club (RvB), Amsterdam, Niederlande
Ing. Arnold Jacques, Präsident Cavaliers for Life, Präsident Belgian Toyspaniel Club, Belgien
Pauline Jordens, Cavalier-Züchterin, Cavalier-Verantwortliche des niederländischen EGCN

FÜR WEITERE INFORMATIONEN WENDEN SIE SICH BITTE AN DIE AUTOREN.